Am 14.09.2025, dem Tag des offenen Denkmals, stand neben dem Stadtrundgang durch Wurzen auch der persönliche Austausch im Mittelpunkt. Bei Kaffee und Kuchen luden wir zum Gesprächscafé in den Arkadenhof unseres Museums ein. Historische Fotografien aus Wurzen und dem Wurzener Land boten den rund 30 Teilnehmenden die Gelegenheit, Erinnerungen und Erfahrungen aus verschiedenen Lebensbereichen wie Freizeit und Jugend, Arbeit und Schule in der Vergangenheit zu teilen. Die Gespräche eröffneten vielfältige Perspektiven auf Geschichte und Gegenwart und lieferten zugleich wertvolle Anregungen für unsere Arbeit an der neuen Dauerausstellung.
„Das ist die Luftfiltertechnik ‒ da habe ich gearbeitet.“

Arbeiterin im VEB Luftfiltertechnik; II2224, Bildarchiv Kulturhistorisches Museum Wurzen
Besonders freut uns, dass wir durch die Gespräche auch unsere Sammlung besser kennenlernen konnten. Die persönlichen Erfahrungen der Besucherinnen und Besucher des Gesprächscafés halfen uns u. a. diese Fotografie zu verorten ‒ im VEB Luftfiltertechnik am Nemter Weg. Neben dem Entstehungsort der Fotografien konnten wir, wie in diesem Fall, auch herausfinden, was abgebildet sein könnte: „Das könnten Steckmetallfilterplatten sein. Aber so viele auf einem Haufen, habe ich persönlich nie gesehen.“ Derartige Filter für grobe Partikel, wie z.B. Fett, werden noch heute in Dunstabzugshauben verwendet, auch wenn der VEB nicht mehr existiert.
„Fahnenappell war nicht schlimm. Wir waren froh, uns [nach den Ferien] wiederzusehen. Ich habe gern FDJ-Bluse und Halstuch getragen“; „Fahnenappell ‒ es war morgens, ich hatte nicht viel gegessen und wurde ohnmächtig. Der Fahnenappell hat mich immer eigenartig, abweisend berührt. Es entstand in mir eher eine abweisende Haltung.“

Fahnenappel Pestalozzi-Schule Wurzen; II231e Bildarchiv Kulturhistorisches Museum Wurzen
Der Fahnenappell war fester Bestandteil der DDR-Schulkultur. Mindestens zu politischen Feiertagen und zum Schul- bzw. Halbjahresende und -beginn mussten die Schülerinnen und Schüler klassenweise antreten und strammstehen. Diese beiden gegensätzlichen Erinnerungen an den Fahnenappell an der Pestalozzi-Schule zeigen, wie unterschiedlich die subjektive Wahrnehmung und Erinnerung an ein Ereignis sein kann. Beide Erinnerungen sind natürlich legitim, sie zeigen aber, vor welchen Herausforderungen wir als Museumsteam stehen: Wessen Geschichte, welche Perspektive sollten wir auf welche Art und Weise in der neuen Dauerausstellung erzählen? Wie viel Einordnung braucht ein Phänomen wie der Fahnenappell in den politischen Kontext der DDR-Diktatur und wie können wir persönliche, positive Erinnerungen dennoch abbilden?
„Macht weiter so.“
Diese Fragen wollen wir nicht allein beantworten, sondern möchten auch Rückmeldung aus Wurzen und dem Wurzener Land zu Fortschritten unserer Arbeit einholen. Das Gesprächscafé war ein Auftakt dazu und wir freuen wir uns sehr, dass sich bereits mehr als 10 Personen bereiterklärten, auch über das Café hinaus mit uns in Kontakt zu bleiben. Wir wollen dazu in regelmäßigen Abständen weiter in unser Museum einladen, um unsere Ideen vorzustellen und Ihre konstruktive Kritik entgegenzunehmen. Der erste Termin wird nach unserer Ausstellung „Wurzen Webt Weiter“ im Rahmen des 12. Festival Politik im Freien Theater (16.–25.10.) stattfinden. Wenn Sie auch daran teilnehmen möchten, abonnieren Sie gern unseren Newsletter. Darüber halten wir Sie auf dem Laufenden und teilen diese und weitere Termine.